"Worte ohne Verfallsdatum": Matthias Biskupeks literarische Mitstreiter lesen aus seinem Online-Tagebuch


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Frank Quilitzsch, Landolf Scherzer und Martin Straub während ihrer Lesung aus dem Online-Tagebuch
Nicht oft beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht mit Tagebuch-Aufzeichnungen eines Autors oder verfassen privat gar selbst welche. Das Genre kenne – wie z.B. Walther Killys „Literaturlexikon“ Auskunft erteilt, „keine inhaltlichen Beschränkungen“. Des Aufzeichnens wert könnten „das aktuelle Tagesgeschehen oder der individuelle Tagesablauf ebenso sein wie Gedanken, Gefühle und Träume, Arbeitspläne, Werkentwürfe, Meinungen über Menschen oder politische, gesellschaftliche und kulturelle Ereignisse“, so das Nachschlagewerk weiter. Am ehesten wird den meisten das „Tagebuch der Anne Frank“ ein Begriff sein.
Am 22. Februar hatten sich um 10 Uhr Lernende der Oberstufe unseres Gymnasiums in der Aula versammelt, um einer Lesung zu lauschen, die ihnen Aufzeichnungen des Rudolstädter Schriftstellers Matthias Biskupek aus seinem kürzlich erschienenen Online-Tagebuch offerierte, dargeboten von dreien seiner literarischen Freunde und ebenfalls profunden Vertretern der schreibenden Zunft: Landolf Scherzer, dem durch Langzeitreportagen, z. B. zuletzt mit „Leben im Schatten der Stürme – Erkundungen auf der Krim“, hervorgetretenen Autor, Martin Straub, einem seit vielen Jahren in der Thüringer Literaturförderung tätigen Literaturwissenschaftler und heutigen Ehrenvorsitzenden des Lesezeichen e.V. Jena, und Frank Quilitzsch, einem der TLZ-Leserschaft bestens durch seine Kolumnen und Interviews vertrauten Kulturjournalisten und Autor.
Nach Begrüßung und Vorstellung der Gäste durch die beiden Deutschlehrer Frank Lohse und Marcus Lapat machten sich die Autoren daran, von ihnen ausgewählte Passagen aus Biskupeks Aufzeichnungen den jungen Leuten vorzutragen und durch persönliche Anmerkungen näher zu bringen, was zunächst sicher kein leichtes Unterfangen war, liegt doch das von dem Satiriker durch seinen unverwechselbaren trockenen Humor geschilderte Geschehen z.T. weiter zurück. Doch stellte sich bald echtes Interesse bei den Schülern ein, was nicht allein durch die willkommene Abwechslung vom normalen Unterricht geleitet zu sein schien, sondern auch von den durchaus packenden Beobachtungen des oft absurden Alltagsgeschehen durch den Ironiker Biskupek. Besonders berührend empfanden die Zuhörenden die Aufzeichnungen des Autors aus seiner letzten Lebenszeit, die immer wieder von seiner Therapie unterbrochen werden und angelegentlich von den damit verbundenen Misshelligkeiten berichten, aber dennoch von seinem noch stets wachen Blick und feinen Sensorium für aktuelle Beobachtungen und seinen mit gegenwärtigem Geschehen vergleichenden Erinnerungen Zeugnis ablegen. Selbst hier merkte man dem Verfasser seine kabarettistische Ader an. Er hatte sich von 1979 bis 1983 als Dramaturg und Texter am Geraer „Fettnäppchen“ betätigt und dabei den obrigkeitlichen Unwillen durchaus herausgefordert, was dazu führte, dass die Hälfte seiner Programme nicht aufgeführt werden durfte.
Von seinem Schreiben einen recht guten Eindruck erhalten zu haben ist das Verdienst der drei mit ihm befreundeten Vorleser, deren Vortrag nebst einem Satz mitgebrachter Biskupek-Tagebücher dankenswerterweise vom Friedrich-Bödecker-Kreis für Thüringen e.V. finanziert und gefördert wurde.
M. Lapat