Gymnasium Rutheneum in Gera kämpft um Schulsozialarbeiterin


Proteste gegen die Entlassung der Schulsozialarbeiterin

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Erst seit Februar 2020 gab es eine Schulsozialarbeiterin am Rutheneum in Gera. Nun soll die Stelle neu besetzt werden. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Seit Februar 2020 war Melanie Gebhardt am ältesten Gymnasium in Gera, dem Rutheneum, als Schulsozialarbeiterin beschäftigt. Doch jetzt hat ihr Arbeitgeber, der Verein "Streetwork", den Vertrag mit ihr nicht verlängert. Über die Gründe schweigt sich der Verein aus. Schüler und Lehrer-Kollegium wollen die Entscheidung nicht akzeptieren.

Der Raum ist verwaist, der Schreibtisch schon leer geräumt. Melanie Gebhardt ist ratlos: Am 30. November hat sie erfahren, dass ihr Vertrag mit dem Verein "Streetwork" als Schulsozialarbeiterin am Rutheneum nicht verlängert wird. Eigentlich lief das Abkommen bis Ende des Jahres, doch der Verein hat seine Mitarbeiterin schon ab dem 1. Dezember freigestellt. Einen Grund dafür, dass ihr Vertrag nicht verlängert wurde, kennt sie nicht. "Das Geld für die Stelle ist da, und ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen", sagt Melanie Gebhardt. Sie verstehe das alles nicht.

„Das Geld für die Stelle ist da, und ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen. Ich verstehe das alles nicht.“ Melanie Gebhardt, Schulsozialarbeiterin

Silva Wallstabe ist die Schulleiterin am Rutheneum. Auch sie hat erst am 30. November erfahren, dass der Verein bald eine neue Mitarbeiterin an das Gymnasium schicken will. Und das auch erst auf Nachfrage, denn es habe nur Gerüchte gegeben. Bei einem Qualitätsgespräch zwischen Schule, Jugendamt und Verein im Sommer wurde die Arbeit von Frau Gebhardt noch gelobt, sie sollte im nächsten Jahr weitermachen, wie die Schulleiterin berichtet.

Warum sich die Meinung des Vereins später änderte? Dazu erhielt MDR THÜRINGEN trotz mehrfacher Nachfrage keine Auskunft - und stattdessen die Aussage, wenn man sich äußern würde, bekäme Frau Gebhardt nirgendwo wieder eine Anstellung. Die ist sich keiner Schuld bewusst, es habe keine Gespräche oder gar eine Abmahnung gegeben. Deshalb hat sie sich mittlerweile einen Anwalt genommen.

Sozialarbeiterin kümmerte sich während des Lockdowns um Schüler

Im Februar 2020 hatte Melanie Gebhardt als erste Schulsozialarbeiterin überhaupt am Gymnasium angefangen. Damals war das Kollegium skeptisch, ob man an der Schule Sozialarbeit brauche. Doch schon bald zeigte sich: Der Bedarf ist größer als angenommen.

Nach kurzer Zeit nutzten die Schüler das Angebot, im geschützten Rahmen mit einer Vertrauensperson zu sprechen. Im März, als der erste Lockdown von Schulschließungen begleitet wurde, nahm das Arbeitspensum zu. Laut Schulleiterin kümmerte sich Melanie Gebhardt gerade um die Schüler, die plötzlich nicht mehr erreichbar waren oder nicht am Distanzunterricht teilnahmen. Sie sei zu den Kindern und Jugendlichen nach Hause gefahren, habe auch mit den Eltern gesprochen, erzählt die Schulleiterin.

„Sie fuhr zu den Schülern nach Hause, sprach mit ihnen und ihren Eltern. Ich denke, es war gerade in dieser Zeit, als Frau Gebhardt die Herzen der Schüler gewann.“

Silva Wallstabe, Schulleiterin am Rutheneum

Am Gymnasium Rutheneum in Gera geht das Leben nur scheinbar ganz normal weiter. Doch viele Schülerinnen und Schüler vermissen die Sozialarbeiterin. Bildrechte: MDR/Andreas Dreißel

Vertrauen muss langfristig aufgebaut werden

In Thüringen ist die Schulsozialarbeit eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe. Über 22 Millionen Euro stellt das Land jedes Jahr dafür bereit, aktuell gibt es an 484 Thüringer Schulen Sozialarbeiter. Oft sind sie bei freien Trägern angestellt, die Verträge sind befristet, weil auch die Finanzierung immer an Zeiträume gebunden ist.

In Gera ist der Streetwork e.V. Partner der Stadtverwaltung. Dort will man sich zum konkreten Fall nicht näher äußern. Die Entscheidung des Vereins, den Vertrag mit Melanie Gebhardt nicht zu verlängern, akzeptiert die Verwaltung als Entscheidung des Arbeitgebers. Außerdem sei eine Nachfolgerin ordnungsgemäß ausgeschrieben worden.

Doch im Rutheneum wollen sie davon nichts hören. Schulsozialarbeit erfordere Kontinuität. Vertrauen müsse langfristig aufgebaut werden. Die Schulleiterin fürchtet, dass schon im kommenden Jahr ein neuer Wechsel bevorstehen könnte. Auch Elternsprecherin Katharina Trautmann ist besorgt. "Man kann meiner Meinung nach die Leute nicht austauschen wie Wäsche", sagt sie.

„Mir gefällt die Beliebigkeit nicht, mit der da vorgegangen wird. Man kann meiner Meinung nach die Leute nicht austauschen wie Wäsche.“

Katharina Trautmann, Elternsprecherin