Geraer Abiturienten lernen zu Hause


Selbstdisziplin im Homeoffice ist wichtig. Aufgaben von den Fachlehrern und kostenfreie Lernplattformen helfen bei der Prüfungsvorbereitung.

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Nelly, Abiturientin am Rutheneum seit 1608 in Gera, beim Selbststudium für das Abitur 2020.

Unser Leben ist auf den Kopf gestellt. Alles ist anders, auch für die jungen Leute, die ab 30. April ihre Abiturprüfungen schreiben wollten. Statt intensiver Kurs-Arbeit in der Schule müssen sie sich nun zu Hause im Homeoffice vorbereiten.

Nelly, Zwölftklässlerin am Rutheneum seit 1608 in Gera, berichtet: „Ich versuche, die freie Zeit als Chance anzusehen und mir Routine anzugewöhnen.“ Früh ins Bett, nicht zu spät aufstehen, als erstes ein wenig Sport, danach Schule mit Schwerpunkten in bestimmten Fächern wie Mathematik, schildert die 19-Jährige ihren Alltag. Neben Mathe sind Sozialkunde und Englisch Nellys schriftliche Prüfungsfächer. Untereinander verständigt werde sich über die Schul-Cloud. Einige Lehrer hätten für Aufgaben Abgabetermine festgelegt. „Ich mache mir eine To-do-Liste, das hilft mir sehr. Also, wer die Zeit jetzt nicht nutzt, ist selbst schuld“, findet Nelly.

Henriette, Abiturientin am Zabelgymnasium, stellt sich ebenfalls einen Lernplan auf. Sie schreibt Deutsch, Biologie und Geschichte als Prüfung. „In Deutsch beispielsweise haben wir zu Goethes Faust Aufgaben bekommen. Lesen, markieren, das Wichtigste notieren, das klappt auch gut zu Hause“, meint sie. Sollte sie mal nicht weiterkommen, tausche sie sich mit Schulkameraden aus. Das Internet sei jedenfalls der allerletzte Ausweg, sie vertraue lieber dem Lehrbuch. Henriette ist optimistisch, alles gut hinzubekommen und zugleich froh, dass die Kursarbeiten, quasi die Generalprobe, an ihrer Schule noch geschafft wurde.

Max vom Osterlandgymnasium wird Prüfungen in Mathe, Deutsch und Sozialkunde schreiben. „Am Montag haben wir noch unser Sozialkunde-Vorabitur geschrieben und dann von unserer Kursleiterin für verschiedene Fächer Aufträge bekommen, weitere folgen per E-Mail. In einigen Fächern gibt es einen Termin für unsere Arbeiten, die benotet werden.“ Man müsse sich schon disziplinieren, gesteht der 17-Jährige. „Wenn ich weiß, ich muss sieben Uhr meinen Bus für die Schule nehmen, kommt man wesentlich leichter aus dem Bett. Jetzt kann man später aufstehen, in Ruhe frühstücken, aber das Aufgabenpensum wartet trotzdem. Im Moment gelingt es mir gut, aber die Überwindung ist schon eine größere“, erzählt Max. Persönlich würde er es begrüßen, wenn die Prüfungen termingerecht stattfinden könnten. „Etwas Termindruck ist gut, denn dadurch bleibt man im Lern-Modus. Wir haben so lange auf das Abi hingearbeitet, jetzt wollen wir den Abschluss auch zügig, damit wir uns auf Weiteres konzentrieren können.“

Vincent besucht die 13. Klasse der Integrierten Gesamtschule. Als Schülersprecher schätzt er ein: „In den letzten Wochen waren viele Schüler schon besorgt, wie es grundsätzlich weitergeht, ob Vorprüfungen und die Prüfungen wie geplant stattfinden. Am Montag dieser Woche hat sich vieles konkretisiert.“ Über verschiedene Wege gelangt der Lernstoff nun zu den Abiturienten der IGS: in Papierform am Montag ausgeteilt, per Mail oder klassenweise auf der Schul-Homepage. Von Lehrern kamen Tipps zu kostenfreien Lernplattformen oder Angeboten von Verlagen. „Das gesamte Schulleben lief darauf hinaus, sich selbstständig Wissen anzueignen. Insbesondere in der Oberstufe sollte das kein Problem mehr darstellen. Wir haben das ausreichend trainiert. Ich glaube, wir sind motiviert und routiniert genug.“

Kerstin Geyer, Konrektorin am Osterlandgymnasium, war froh, dass der Montag noch für die Vorbereitung genutzt werden konnte. „Zum Einen konnten die Schüler in den Gesellschaftswissenschaften noch ihr Vorabitur schreiben, zum Anderen nutzten wir als Kollegium den Tag, um ein Netzwerk aufzubauen, wie wir mit den Schülern in Verbindung treten können.“ Selbst Lehrerin für Mathematik, ist sie dankbar, dass jetzt online-Anbieter wie beispielsweise Schul-LV eine kostenlose Lizenz für Prüflinge freigeschalten haben. „Wir appellieren an die Selbstdisziplin, an die Vernunft und den persönlichen Ehrgeiz jedes Einzelnen, ehrlich zu sich selbst zu sein, die Aufgaben als gute Übung zu sehen und die Lösungen nicht abzuschreiben. Die Studierfähigkeit kann jetzt jeder einzelne schon einmal testen. Ich denke, unseren Schülern ist der Ernst der Lage schon bewusst.“ Persönlich hofft Kerstin Geyer mit einer Verschiebung der Abiprüfungen um drei Wochen ähnlich Bayern. „Dann werden zwar die Korrekturzeiträume für die Kollegen enger, aber dann wäre normal ein Abschluss nach Termin möglich. Es sollte jedem am Herzen liegen, dass die Abiturienten nicht benachteiligt werden.“