Lebensglück gesucht und gefunden: Aussteiger Tony Richter im Gespräch


Tony Richter (29) hängte vor einem Jahr seinen sicheren Job an den Nagel und ist seitdem christlich "unterwegs".

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Aussteiger Tony Richter aus Zeulenroda-Triebes war im Rahmen des christlichen Jüngerschaftsprogramms

Tony Richter hat seine Ausbildung in der Geraer Bibliothek absolviert. Danach arbeitete er lange Zeit als Schulsachbearbeiter. Noch im vorigen Jahr kümmerte sich der 29-Jährige im Sekretariat des Geraer Rutheneums seit 1608 um alles Organisatorische. Dann hängte er seinen Job an den Nagel und war für zehn Monate mit dem christlichen Jüngerschaftsprogramm unterwegs. Ein Gespräch.

Was war ausschlaggebend für den neuen Lebensweg?

Vor zwei Jahren kam ich zum Glauben. Bereits bei meiner früheren Arbeit in der Bibliothek gingen viele Bücher durch meine Hände. Keines jedoch faszinierte mich so wie die Bibel. Mein Interesse für ein thematisches Studium wuchs. 2018 trat ich der Christlichen Gemeinde „Relationship“ in Gera bei, absolvierte einen GlaubensGrundlagenkurs. Dann drängte es mich, etwas Neues auszuprobieren und unter jungen Leuten zu sein. Zudem wollte ich mich noch intensiver mit dem Glauben beschäftigen.

Ihre Lebenseinstellung hat sich grundlegend verändert?

Ja. Dafür gab es ein Schlüsselerlebnis. Der ehemalige Schulleiter des Rutheneums, Joachim Hensel, sagte in seiner Abiturrede 2017 einen Satz, der mich veränderte. Er riet den Abiturienten: Wenn ihr Antworten auf eure Fragen sucht, dann gibt es nur eines, die Bibel. Damals steckte ich in einer Krise, fühlte mich haltlos, allein gelassen und wie ein Hamster im Laufrad. Irgendwann kam ich an den Punkt, an dem ich wusste, dass es im Leben Wichtigeres als Sicherheit und Wohlstand geben muss. Ich sehe das nicht mehr als das Non plus Ultra im Leben, was mich glücklich macht.

Sie kündigten Arbeitsvertrag und Wohnung, meldeten sich für das christliche

Jüngerschaftsprogramm. Einen solchen Schritt konsequent zu gehen, erfordert viel Mut... Aus meiner Sicht nicht, sondern es ist vielmehr Vertrauen. Vertrauen, dass es da jemanden gibt, der hinter einen steht. Und dies hat mich ermutigt, mich darauf einzulassen. Mein Glaube war der entscheidende Punkt.

Zehn Monate waren Sie unterwegs. Was erlebten Sie?

Meine erste Station war das Christliche Bildungszentrum in Oelsnitz/Erzgebirge, wo meine theologische Ausbildung stattfand. Dort in einer 24-Stunden-Gemeinschaft zu wohnen, im Mehrbettzimmer, ohne Rückzugsort, mit zwei anderen jungen Männern sich ein Bad zu teilen, bedeutete für mich als Single zudem eine weitere Erfahrung. Schließlich haben wir uns als Gruppe gut gefunden. Danach führte mich eine Seminarwoche nach Leipzig. Es folgten zahlreiche Stationen in Deutschland, bei denen ich mit Christen zusammen lebte, in ihrem Alltag integriert war und Aufgaben übernahm. Das fing bei der Kinderbetreuung an, ging über Haushaltshilfe bis hin zu Gemeindearbeiten und Betreuertätigkeiten in einem Jugendtreff. Es waren tolle Erlebnisse. Turnusmäßig besuchte ich immer wieder die Bibelschule.

Zum "unterwegs"-Programm gehört eine Woche im Kloster Wechselburg. Wie haben Sie diese erlebt?

Als sehr wertvoll, bot sie doch Gelegenheit, mich auf das Wesentliche zu besinnen und sich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Wie bin ich mit Menschen umgegangen? Wo habe ich Fehler gemacht? Dort konnte ich zudem meine bisherige „unterwegs“-Zeit reflektieren und schauen, ob ich wirklich im Programm angekommen bin. Gerade diese Stille bewusst erleben, ist nicht für jedermann etwas. Mir hat es sehr gefallen.

Um welche Erfahrungen sind Sie reicher geworden?

Zum einen konnte ich mich besser kennenlernen. Beispielsweise habe ich gemerkt, dass mir die Gemeinschaft sehr gut tut. Meine ursprüngliche Angst, dass mich dies aus der Bahn wirft, hat sich nicht bestätigt. Zum anderen brachte insbesondere die Bibelschule großen Wissenszuwachs. Schließlich beschäftigten wir uns nicht nur mit der Bibel, sondern behandelten lebenspraktische Themen wie Seelsorge, Sexualethik, Arbeitsmoral, natürlich vor dem Hintergrund christlicher Werte. Die „unterwegs“-Zeit empfinde ich als sehr große Bereicherung. Sie hat nicht nur meine Persönlichkeit positiv geprägt, sondern ich konnte mich selbst besser kennenlernen, durfte vieles über das Leben selbst und die Gemeinschaft von Menschen erfahren.

Im Juni endete Ihr „unterwegs“-Programm. Derzeit legen Sie einen Zwischenstopp in der Heimat ein. Wie geht es danach weiter?

Ich werde für ein Jahr nach England gehen. Dort möchte ich an einer internationalen Bibelschule als Freiwilliger in der Küche mitarbeiten. Mein Ziel ist, in der englischen Sprache sattelfest zu werden und meinen Blick für Menschen, Kulturen noch mehr zu weiten. Man muss sich das aber wie eine normale Arbeit vorstellen mit 37 Stunden pro Woche. Wohnen werde ich in der Bibelschule. Was nach diesem Jahr folgt, davon habe ich noch keine Ahnung. Gerade dies ist aber das Spannende.

Wie haben Ihre Familie, Freunde und Bekannten auf die neue Lebensplanung reagiert?

Sehr unterschiedlich. Für meine Eltern war es anfangs sehr schwer, diesen Schritt nachzuvollziehen. Sie fragten sich, wie ich einen sicheren und gut bezahlten Beruf aufgeben kann. Mittlerweile können sie sich mit meinem Weg anfreunden. Sie haben gemerkt, dass ich damit glücklich bin. Einige Freunde begrüßten meinen Schritt und ermutigten mich dazu. Andere begegneten mir aber auch mit Unverständnis.

Können Sie sich vorstellen, irgendwann wieder ein bürgerliches Leben zu führen oder ist das keine Option mehr?

Mein Ziel ist es, perspektivisch wieder einer geregelten Arbeit nachzugehen, da auch ein ­Familienwunsch bei mir da ist. Dafür braucht es ein geordnetes Leben. Doch alles hat seine Zeit. Ich fühle mich dort sehr wohl, wo christliche Werte gelebt ­werden und strebe an, mich in diesem Bereich fest zu integrieren.