Ein Lehrerleben der Musik gewidmet


Rainer Müller verabschiedet sich nach 30 Jahren Musikspezialklassenbereich in den Ruhestand

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Gemeinsam mit Schulleiterin Silva Wallstabe verabschiedet OB Julian Vonarb Rainer Müller in den Ruhestand. Foto: Stadt Gera/CHeinrich

Von Fanny Zölsmann Für seinen ursprünglichen Berufswunsch – Medizin zu studieren – hätte Rainer Müller vier Jahre lang zur Armee gehen müssen. Dem ablehnend gegenüberstehend, überlegte er neu. Der Musik seit seiner frühesten Kindheit zugewandt, bewarb er sich an der Humboldt-Uni in Berlin. „Ich dachte mir, wenn ich nicht Medizin studieren kann, dann werde ich eben Lehrer und bin mittags fertig”, schmunzelt er heute über seine damalige Einstellung, wohlweislich, dass er in all den Jahren seines Lehrerdaseins nie mittags die Schule verlassen hat. Zur Aufnahmeprüfung für das Lehramt für Deutsch und Musik konnte er Klavierunterricht seit der zweiten Klasse und das autodidaktische Erlernen der Gitarre vorweisen. Die Zusage kam unerwartet aber prompt. Bereits nach vier Semestern erhielt er die Offerte in den Bereich der Tanzmusik wechseln zu können. „Damals kamen die Puhdys und andere Formationen auf. Gesucht wurden Musiker für Bands. Doch ich blieb dem Lehramt treu, denn irgendwann wäre ich zu alt für die Bühne geworden.”

Nach dem Studium wurde ihm eine Aspirantur angeboten, auch diese lehnte er ab. „Als Lehrer hätte ich das nicht und habe es auch nicht gebraucht”, erzählt Rainer Müller resümierend. 1976 begann Rainer Müller an der 23. POS in Lusan als Deutsch- und Musiklehrer. Drei Jahre unterrichtete er, bevor er aufgrund des Musiklehrermangels an drei Schulen gleichzeitig berufen wurde. „Zwei Tage unterrichtete ich an der 23., zwei an der 24. und einen Tag an der 19. POS in Gera. 1982 wurde ich stellvertretender Schulleiter an der 23. POS und war zeitgleich in der Fachkommission für Musik tätig. Einige Jahre später erhielt ich den Auftrag von der Volksbildung eine Musikspezialklasse für den Bezirk Gera aufzubauen. An einem Tag in der Woche, sechs Monate lang, reiste ich durch die Republik. Besuchte die Musikspezialklassen in Potsdam, Zwickau und Wernigerode, um mit den Erfahrungen im Gepäck eine Konzeption für eine Musikspezialklasse im Bezirk Gera zu schreiben.

Am 1. September 1989, zwei Monate vor der politischen Wende, begannen wir mit 24 Schülern, drei Jungs, der Rest Mädchen, die erste Spezialklasse am Goethe-Gymnasium/ Rutheneum 1608 zu unterrichten. Einziges Manko – ich konnte mir die Jugendlichen nicht auswählen und selbige wurden nur in die Klasse aufgenommen, wenn sie dafür unterschreiben, dass sie nach ihrem Abitur Lehramt für Musik studieren würden. Denn damals wie heute ist das Fach Musik Mangelware. Mit der Wende stand die Konzeption der Musikspezialklasse erneut auf dem Prüfstand. Nach zwei Änderungen – freie Studienwahl und Auswahl - verfahren der Schüler für die Spezialklasse – ging es weiter. Mein Dank gilt Dr. Joachim Hensel, der sich ebenfalls 28 Jahre lang verdient gemacht hat, die Musikspezialklassen zu unterstützen, zu fördern und alle Wege dafür zu ebnen.” Bereits 1995, zu dieser Zeit zählte das Gymnasium vier Spezialklassen, begann Rainer Müller gemeinsam mit seinem Team an Musiklehrern mit dem Konzertchor international an Wettbewerben teilzunehmen. „Bis 1994 leitete ich mit Herrn Schreer den gemischten Jugendchor.

Ab September 1994 übernahm Herr Frank die künstlerische Leitung. Gleich der erste Wettbewerb in Budapest war ein Erfolg für uns. Wir sind voller Tatendrang aber mit viel Unkenntnis angereist und mit Gold wieder nach Hause gefahren”, erzählt Rainer Müller wie die Siegesserie ihren Lauf nahm. Unzählige Goldmedaillen folgten. Die Krönung dann im März 2015: Gold in der Carnegie Hall beim New York Choral Festival. „Das war für uns die Olympiade unter den Wettbewerben”, zeigt er sich noch heute stolz auf das Erreichte. Doch gab es auch Einschnitte in Rainer Müllers Berufsleben. Es war das Jahr 2009, das Ziel: Südkorea, die Intention: als Beispielchor aufzutreten. „Zwölf Stunden vor Abflug kam der Anruf von Christian Frank, der bereits eine Woche zuvor nach Südkorea reiste, dass die Schweinegrippe ausgebrochen sei und eine Einreise mit sofortiger Wirkung verwehrt werde. Es war eine Katastrophe für uns. Im Nachhinein noch mehr, da wir vorerst auf dem Geld sitzen blieben. Ich habe bis zum bitteren Ende dafür gekämpft, dass die Schüler zumindest einen Teil ihrer Auslagen wieder zurückerstattet bekommen.” Der Erfolg in der Carnegie Hall ging mit einer Zäsur einher, die bis heute anhielt. „Nach New York hatten wir an allen nationalen und internationalen Wettbewerben mit Rang und Namen teilgenommen. Es gab nichts größeres mehr. Für uns Zeit, eine Pause einzulegen und auf eine neue Generation zu warten. Heute, vier Jahre später, haben wir wieder ausgezeichnete Sänger mit einer unfassbaren Qualität”, freut sich Rainer Müller auf den neuen Konzertchor, den er selbst nur noch als Gast, Zuhörer oder Vorstandsmitglied des Fördervereins des Goethe-Gymnasiums/Rutheneum seit 1608 erleben wird.

„Nach 43 Jahren Lehrerdasein und 30 Jahren Musikspezialklassen beende ich meinen aktiven Dienst und verabschiede mich in den Ruhestand”, so die Worte eines „unheimlich fleißigen, immer anwesenden, für den Beruf aufopfernden, im Umgang mit Kollegen und Schülern stets partnerschaftlichen und manchmal zu mildtätigen Lehrers”, würdigt Dr. Joachim Hensel die bei- spielhaften Leistungen von Rainer Müller. „Rainer Müller ist für mich mehr als nur ein Kollege. Uns verbindet eine tiefe Freundschaft, die auch über den Schulalltag hinaus hält”, weiß der ehemalige Direktor zu schätzen. 2017 verabschiedete sich Dr. Joachim Hensel vorzeitig in den Ruhestand. Seit dieser Zeit führt Silva Wallstabe erfolgreich die Traditionen des Rutheneums weiter. „Rainer Müller als Leiter der Musikspezialklassen hat dem Goethe-Gymnasium zu einem besonderen Ruf verholfen. Er organisierte die Konzertreisen von den Finanzen bis zur Unterkunft. War stets mit Herzblut dabei und schaute nie auf die Uhr, wenn es um die Belange der Schule ging. Ich wünsche ihm persönlich, dass er nach 30 Jahren unermüdlichem Engagement abschalten und Zeit für sich und die Familie finden kann”, richtet Freund und Wegbegleiter Dr. Joachim Hensel die Worte an Rainer Müller.

Als Gast wird Rainer Müller auch das 30jährige Jubiläum der Musikspezialklassen im September er- leben. Ein großes Festkonzert im Konzertsaal in den Bühnen der Stadt Gera wird es am 29. September, 15 Uhr, geben. Eine Woche später, am 4. Oktober, 20 Uhr, ist erstmals der RIAS Kammerchor Berlin zu Gast in der Johanniskirche Gera und wird gemeinsam mit dem Konzertchor konzertieren.