Leiter der Spezialklassen Musik verabschiedet sich


Rainer Müller, Leiter und Mitbegründer der Spezialklassen Musik am Goethegynasium/Rutheneum seit 1608 verabschiedet sich nach 30 Jahren

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Rainer Müller - Mitbegründer und langjähriger Leiter der Spezialklassen Musik am Rutheneum (Foto: Ralf Runge)

Die Spezialklassen existieren seit nunmehr fast 30 Jahren, so lange haben Sie diese auch geleitet. Wie fühlt es sich an, wenn Sie an den Abschied denken, der in wenigen Wochen kommt?

Das sind natürlich gemischte Gefühle- einerseits Traurigkeit, weil etwas zu Ende geht, anderseits Freude, weil nun etwas Neues beginnt- vor allem mehr Zeit für die Familie, Zeit für Hobbies, die immer hinten anstehen mussten. Ich habe während der 30 Jahre der Spezialklassen einiges lieb gewonnen, geschätzt und Arbeit investiert und das muss man erstmal verarbeiten. Dazu brauche ich noch einige Zeit. Momentan geht es nun langsam los, dass mir klar wird, dass dieses oder jenes das letzte Mal ist. Dies war vor vier bis acht Wochen noch nicht der Fall. Doch nun wird es ernst.

Wie hat sich die Arbeit innerhalb dieses langen Zeitraumes verändert?

Wir haben damals mit einer Klasse am 01.09.1998 angefangen. Da war noch alles überschaubar. Es gab eine Konzeption, bei der man noch nicht wusste, wo es mal lang geht. Dies wurde ab 1994 immer komplexer und die Arbeit wurde auch deutlich mehr. Dann gab es den internationalen Einstieg mit dem Chor, was vorher nicht der Fall war. Später 2004/05 kam das 13. Jahr für unsere Spezialklassen hinzu. Wir haben ständig an der Qualität der Ausbildung gearbeitet, in den künstlerischen und theoretischen Bereichen. Dazu kam auch noch die Öffentlichkeitsarbeit, die einen großen Teil einnahm sowie die Sponsorentätigkeit. Das Interesse am Spezialteil nahm immens nach den großen internationalen Erfolgen zu, die wir erzielen konnten. Wir hatten dann anstatt der vier plötzlich fünf Klassen mit 16, 17 manchmal sogar 18 Musiklehrern, eingerechnet die Referendare an unserer Einrichtung. Die Arbeit nahm immer mehr zu und mein Pensum stieg auf 10 bis 12 Stunden am Tag, weil auch abends viel gelaufen ist, wie Veranstaltungen und Konzerte, die besucht werden mussten. Es war schon eine schöne Arbeit, aber auch gesunder Stress. Es hat Spaß gemacht. Es gab Höhen und Tiefen, aber auch Fehler, über die man sich geärgert hat, vor allem viele Erfolge, über die ich mich gefreut habe. Das werde ich etwas vermissen.

Wie fing 1989 alles an?

Die Idee der Musikspezialklassen kam nicht von mir, sondern damals von der Volksbildung. Ich war in der Fachkommission Musik tätig. Es wurde uns angetragen, auch im Bezirk Gera solche Klassen zu bilden, so wie sie beispielsweise damals auch schon in Zwickau oder Wernigerode existierten. Ich wurde beauftragt, ein halbes Jahr lang durch die DDR zu reisen und alle möglichen Institutionen und Schulen zu besuchen, die solche Spezialklassen betrieben. Danach habe ich eine Art Konzeption geschrieben, die der Volksbildung vorgelegt und auch von ihr bestätigt wurde, mit einer Ausnahme, wir durften die erste Klasse nicht beurteilen. Es gab 1998 drei Lehrer, die die Spezialklassen in Gera gegründet haben - Ralf Runge, Klaus Schreer und mich. Frau Kerstin Hensel war Klassenleiterin der ersten Klasse 9m. Wir haben mit 24 Schülern angefangen und waren freudig erregt, aber nach zwei Monaten war wieder Schluss, weil dann die Wende kam. Vorher mussten alle Spezialklassenschüler unterschreiben, dass sie Musiklehrer werden – das war eine Grundvoraussetzung. Nach zwei Monaten war wieder alles vorbei. Die Sache ging von vorne los. Es wurde wieder eine Bewerbungsrunde gestartet. Damals war Herr Dr. Hensel noch zuständig. Die Struktur wurde dann wieder bestätigt. Wir haben die Sache etwas gelockert, indem wir festlegten, dass wir unsere zukünftigen Schüler selber aussuchen konnten und diese nicht unbedingt Musiklehrer werden müssen. Wir haben mit der zweiten Musikklasse begonnen, eigenständig den ersten Eignungsprüfungstest auszuarbeiten und zu überprüfen, diesen habe ich vor kurzem wieder einmal in der Hand gehabt. Er unterschied sich natürlich von denen, die wir jetzt haben. Es gab nun schon zwei Musikklassen. Es ging langsam aufwärts. Wir konnten nun einen ersten Chor aufbauen. 1993/94 gab es wieder so eine Art Bruch, da das Land das Internat nicht mehr unterstützen wollte. Eltern, Schüler, Lehrer und Sympathisanten haben dann eine Postkartenaktion gestartet, bei der der damalige Kultusminister Althaus mit über 3000 Karten bombardiert wurde. Und plötzlich hieß es, dass das Internat zwar kommunal bleibt, aber für die Musikspezialklassen zuständig ist. Die Schüler wohnten damals noch in der traumhaften Villa Jahr, mit viel Platz, einem Kamin, einer Essensversorgung und dem idyllischen kleinen Teich, an dem sie bei schönem Wetter liegen konnten. Der Landtag deklarierte das bisherige Projekt Musikspezialklassen als Spezialklassen, also nicht mehr als Projekt, sondern als dauerhafte Spezialklassenausbildung für Musik. Somit waren wir ab 1994/95 abgesichert. Das war ein riesiger Erfolg. Wir haben dann nach und nach immer mehr Spezialklassenlehrer eingestellt, heute sind es 16 Kollegen, die alle möglichen musikalischen Fächer unterrichten, beispielsweise Musikgeschichte, Musiktheorie, Gehörbildung, Klavier, Gesang, Orgel, Gitarre. Die ersten drei bis vier Jahre waren schon eine aufregende Zeit.

Gibt es Punkte in Ihrer Arbeit als Leiter der Spezialklassen, die Sie nicht vergessen wollen und solche, über die Sie lieber nicht noch einmal nachdenken möchten?

Positiv kann ich sagen, das Erste, was mich vollkommen überrascht hat, weil ich dies nie und nimmer erwartet hätte, war 1995 die Fahrt des Konzertchores nach Budapest. Völlig blauäugig, noch nie an einem nationalen, geschweige denn internationalen Wettbewerb teilgenommen, fuhr der Chor als Laienchor nach Ungarn, um sich einer Jury namhafter Juroren zu stellen. Ich hätte nie gedacht, einen Preis abzufassen, aber das Ensemble gewann. Das war für mich völlig überraschend. Die große Erfolgsreihe ging dann 1999 weiter mit Miami. Danach haben wir eigentlich alles gewonnen, was es international zu gewinnen gab. Der Höhepunkt war 2015 in New York.

Eins möchte ich nicht noch einmal erleben – das hat mich tief getroffen. Das war 2009, als wir nach Südkorea reisen sollten. Wir wurden eingeladen. Es gab damals die sogenannte Schweinepest. Zwölf Stunden vor der Abfahrt – ich saß hier in meinem Zimmer, die Schüler haben in der Aula gewartet - kam der Anruf, dass die ganze Veranstaltung gecancelt wurde wegen dieser Schweinepestgrippe und wir nicht fliegen durften. Es wurde als höhere Gewalt deklariert und es gab keine Reiserücktrittsversicherung, die da einsprang. Wir haben viel gekämpft, um wenigstens das Geld für die Schüler zurückzubekommen. Das war eine harte Zeit im Sommer 2009.

Wie geht es im neuen Schuljahr mit der Leitung weiter?

Ich bin erstmal heilfroh, dass wir zwei Kollegen gefunden haben aus unserer Fachschaft, die das machen an vorderster Front. Einmal ist das Frau Elke Arnold. Sie macht dies amtierend mit sehr viel Einsatzbereitschaft und Engagement und als Partner Herr Alexander Beer, der sie unterstützt in den Bereichen der Projekte und Konzerte. Ich glaube, es ist eine gute Lösung, bis diese Stelle irgendwann ausgeschrieben wird. Ich bin froh, dass die Initiative aus den eigenen Reihen kommt.

Welche Pläne haben Sie mit dem Beginn der Pensionierung?

Mein erster Gedanke – endlich mehr Freizeit für die Familie und die Hobbies. Die Familie kam bei mir immer an zweiter Stelle. Und ich habe nun endlich Zeit für meine Enkelkinder, die wirklich zu kurz gekommen sind. Da sie nicht vor Ort sind, kann ich nun auch unabhängig von Unterrichtszeiten oder Konzerten hinreisen. Dies ist meine vorderste Aufgabe. Natürlich kann ich nun auch in Ruhe notwendige Renovierungen und Arbeiten in Haus und Garten ausführen. Sicherlich werde ich auch ab und zu an die Schule denken.

Text und Foto: Ralf Runge