"Weil sie die Beste ist" - Ulrike Lorenz (Absolventin unserer Schule, Abitur 1981) ist neue Präsidentin der Klassik-Stiftung
Eine kleine, zierliche Erscheinung, doch in knallrotem Kostüm: So legt Ulrike Lorenz einen strahlenden ersten Auftritt in Weimar hin.
Weimar. Die Frau sprüht geradezu vor Energie und vor Tatendurst – wie man es sich von einer künftigen Präsidentin der Klassik-Stiftung von Herzen sehnlichst wünscht. Seit gestern ist sie‘s. Einstimmig von der Findungskommission vorgeschlagen und nunmehr einstimmig vom Stiftungsrat gewählt.
Scheitern könnte die Amtsnachfolge Hellmut Seemanns für die 55-jährige Kunsthallen-Direktorin aus Mannheim höchstens noch an Formalien. Staatskanzleiminister Benjamin Hoff (Linke), zugleich Stiftungsratsvorsitzender, soll mit ihr die Vertragsdetails aushandeln. Doch lehnt der als cleverer Taktiker angesehene Politiker sich derart weit mit Vorschusslorbeeren aus dem Fenster, dass er eine spätere Absage schwerlich rechtfertigen könnte. Die Wahl, so Hoff, sei auf Lorenz gefallen, erstens, weil sie die Schuhgröße ihres Vorgängers auszufüllen imstande sei, und zweitens, „weil sie die Beste ist“. Spätestens ab 1. August 2019 wird sie das einlösen müssen.
Lorenz indes wahrt souverän die Geistesgegenwart. In der Pressekonferenz, für die der Weimarer Stiftungsrat gestern Nachmittag seine Sitzung unterbrochen hat, lobt sie, wie der Brauch es gebietet, zuerst die Arbeit des nach 16 Jahren noch aktuellen Amtsinhabers. Was Seemann geleistet hat, erfülle sie mit „tiefem Respekt“, sagt sie. Und dann legt sie los, schaut nach vorn, voller Dynamik. Spricht von neuen Impulsen und von einer Profilierung der Stiftung. Davon, dass sie eine „klare Strategie“ verfolgen wolle, um eine „nationale und internationale Strahlkraft“ der Stiftung zu entwickeln.
Wozu? Der komplexe, kulturhistorische Schatz, der in den Beständen von der Renaissance bis zur Gegenwart schlummert, soll dienstbar gemacht werden, um die nationale Identität der Deutschen zu stärken. „Wir brauchen Orientierung“, betont Lorenz und meint damit das intellektuelle, ideelle, geistige Fundament unseres Gemeinwesens in Zeiten totaler Globalisierung, irrsinniger Beschleunigung im Fortschritt und allgegenwärtiger Krisenhaftigkeit. Wir leben, wie Goethe gesagt hätte, in einer „veloziferischen“ Epoche.
Damit steht für Ulrike Lorenz fest, dass es der Klassik-Stiftung nicht um die Rekonstruktion von Geschichte gehen kann, sondern um deren Interpretation zum Nutzen der Gegenwärtigen. Die gebürtige Geraerin hat Kunstgeschichte und Archäologie in Leipzig und Weimar studiert, und sie bekennt, dass ihr Spezialgebiet nicht die deutsche Klassik, sondern die klassische Moderne ist. Im Geraer Dix-Haus, dann als Leiterin der Kunstsammlung Gera hatte sie ihre ersten Karrierestationen. Danach leitete sie von 2004 bis 2008 die Ostdeutsche Galerie Regensburg; seit 2009 ist sie Direktorin der Kunsthalle Mannheim.
Dort hat sie einen 70 Millionen Euro teuren Neubau des Hauses initiiert, den größeren Teil der Baukosten durch die Akquisition privater Gelder gedeckt und die Eröffnung termingerecht in diesem Frühjahr vollzogen. Das imponiert den Weimarern. Unverhohlen hofft sogar Hoff, dass dieses (ein-)werbende Talent der neuen Präsidentin der Klassik-Stiftung zugutekomme; schließlich steht mit der Schloss-Sanierung eine – nunmehr finanziell unzureichend gedeckte – Kärrneraufgabe bevor.
Und Lorenz schlägt prompt hierzulande unerhörte Töne an: Warum, fragt sie, solle es nicht zum Beispiel ein Advisory Board der deutschen Wirtschaft für die Klassik-Stiftung geben? Denn schließlich arbeitet sie in dem zutiefst nationalen Interesse, eine „existenzielle Perspektive“ für unsere Gegenwart und nähere Zukunft zu entwerfen. Lorenz: „Wir tragen Verantwortung für die Demokratie heute.“ Auch die Stiftung sei letztlich eine politisch Handelnde.
Eigene Fähigkeiten beschreibt die Kulturmanagerin unverblümt selbstbewusst: Sie sagt, „dass meine Stärken im strategischen Denken und Steuern liegen“ und dass sie „ein gewieftes Umgehen mit Menschen“ sich in Bayern und der Kurpfalz angeeignet habe. Denn: „Man kann Ideen nicht allein umsetzen, man braucht immer Mittäter.“
Wolfgang Hirsch (06.11.18)