Geraer Dirigent bei Chorwettbewerb in Pretoria erfolgreich


Der Geraer Benjamin Stielau holt mit dem Kammerchor Wernigerode zwei Mal Gold in Südafrika

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Dirigent Benjamin Stielau aus Gera in Südafrika mit den beiden Goldmedaillen und den dazugehörigen Urkunden. Foto: Kammerchor Wernigerode

Herr Stielau, Sie sind gerade von einem Chorwettbewerb aus Südafrika zurückgekehrt. Mit zwei Goldmedaillen. Wofür bekamen Sie die?

Als Dirigent des Kammerchores Wernigerode. Wir waren in den Kategorien moderne Musik und Kammerchor aktiv. Von der internationalen Jury erhielten wir auf einer Skala von 100 bei strenger Bewertung Punkte im Bereich Ende der 80er. Damit waren wir von den deutschen Teilnehmern der beste Chor. Aus China und Russland gab es ganz starke Konkurrenz. Waren bisher eher die Skandinavier und Deutschen die größten Herausforderer, merkte ich, dass die großen Nationen im Osten aufgeholt haben.

Um welchen Wettbewerb handelte es sich?

Wir nahmen an den World Choir Games vom 4. bis 14. Juli in Tshwane, besser als Pretoria bekannt, teil. Sie wurden von der deutschen Agentur Interkultur ausgerichtet. Ich kenne sie aus Teilnahmen mit dem Goethegymnasium/Rutheneum. Sie richtet kleinere und größere Wettbewerbe aus. Dieser war der größte, den ich erlebte. Die Zahl der Chöre dort ist mir nicht bekannt. Aber es traten 20 000 Sänger aus 62 Nationen auf.

Wie kam es, dass der Kammerchor Wernigerode dabei war?

Die Geschichte ist noch kurioser. Ich kam im letzten September zum Chor über eine Ausschreibung. Doch schon vor dem Zeitpunkt der Neubesetzung der Dirigentenstelle stand fest, dass der Chor nach Südafrika fahren wird. Ich wurde ins kalte Wasser geschmissen. Es war eine ziemliche Drucksituation. Seit letztem September haben wir uns kontinuierlich vorbereitet. Doch der Chor ist so gut und bringt große Wettbewerbserfahrung mit.

Das heißt, Sie hatten nicht mehr viel zu tun.

So würde ich es nicht nennen. Wir haben das Programm neu einstudiert. Die Stücke waren zwar ausgesucht aber die Arbeit daran hatte noch nicht begonnen als ich kam. Durch die Proben sind wir schnell zusammengewachsen. Wir hätten das nicht meistern können, wenn nicht die gemeinsame Wellenlänge dagewesen wäre.

Was genau beinhaltete das Programm?

Wir zeigten Vielfalt und präsentierten acht Stücke, je vier in jeder Kategorie, die im Anspruch dorthin gehören. Dabei berücksichtigten wir auch Komponisten aus der Region. Natürlich Bach und zwei moderne Deutsche: Den Leipziger Ludwig Böhme, einen ehemaligen Thomaner, und den Magdeburger Jens Klimek. Auch ein litauisches Werk und ein Singer-Songwriter-Stück einer Amerikanerin, für Chor bearbeitet, gehörten dazu. Jedes Programm umfasste 20 Minuten.

Wie viele Sänger standen auf der Bühne?

36. Der Kammerchor ist ein gemischter Chor aus Frauen und Männern, die zwischen 20 und 40 Jahren alt sind. Sie alle sind ehemalige Schüler des Landesgymnasiums für Musik Wernigerode. Es ist vergleichbar mit unseren Spezialklassen für Musik am Geraer Goethegymnasium/Rutheneum.

Hörte nur die Jury zu?

Wir hatten Glück und beide Male einen vollen Saal. Es gibt einen Push-Effekt, wenn man weiß, dass man Leute ansingen kann.

Womit ist dieser Weltchorwettbewerb vergleichbar? Mit eine Fußballweltmeisterschaft?

Eher sogar mit einer Olympiade. Wenn ich die Disziplinen oder Kategorien, die schiere Zahl der Teilnehmer und den logistischen Aufwand sehe, erkenne ich einen olympischen Effekt. Vom Kinderchor über Spiritual bis Jazz war alles vertreten. Schön zu erleben war, dass nicht nur der Leistungsaspekt zählte. Wir haben in Südafrika tolle Chöre und Menschen kennengelernt. Neue Freundschaften sind entstanden. Gerade heimgekehrt kann ich das noch gar nicht begreifen in der kurzen Zeit.

Sie nannten es schon kurios. Wie sieht das gemeinsame ­Proben des Geraer Dirigenten mit dem Chor aus ­Wernigerode aus?

Alle Sänger leben und arbeiten in Deutschland verteilt. Wir sind ein Projektensemble und treffen uns mindestens einmal im Monat. Von Freitagabend bis Sonntagmittag. Wir verbinden das immer mit einem Konzert. So beispielsweise in Berlin, Halle und Jena. So bekamen wir auch Konzertpraxis für die Stücke für Südafrika.

Der Kammerchor hat die Weltspitze erreicht. Bleiben da noch neue Ziele?

Ja, auf jeden Fall. Wir machen jetzt zwei Monate Pause. Für September bereiten wir dann ein Festwochenende vor, weil der Chor fünfzehn Jahre alt wird. Eine Reise nach Belgien ist geplant und wir hoffen auf Einladungen, die uns als Resonanz auf die ­Goldmedaillen erreichen. Der Chor ruht sich nicht aus. Es geht einfach weiter. Auf jeden Fall plane ich, die Sänger auch nach Gera und Jena zu holen.

Wird das Erlebnis Südafrika Eingang in Ihren Unterricht am Goethegymnasium/Rutheneum finden?

Ich hatte gar nicht so viel Gelegenheit, Land und Leute kennenzulernen. Eine Safari habe ich erlebt, aber ich bin ja kein Biolehrer. Mitgenommen habe ich die Vielfalt und die Tatsache, dass nicht nur die Leistung zählt. Es kommt viel dazu. Das Zwischenmenschliche und der pathetische Begriff der ­Völkerverständigung. Dort steht nichts zwischen der ­riesengroßen Gemeinschaft. Auch wenn es abgedroschen klingt, es ist ein erhebendes Erlebnis, das mitzubekommen.

Wann sind Sie für die Geraer wieder als Organist in einer der Kirchen der Stadt zu erleben?

Am Mittwoch, dem 8. August, zum Musiksommer ab 17 Uhr in der Marienkirche in Untermhaus. Am ­Wochenende danach spiele ich gemeinsam mit Peter Wiegand und Cornelius Herrmann im Schlossgarten von Osterstein Caféhaus- und Swingmusik.

Noch sind fast vier Wochen ­Ferien. Was sagen Ihre ­Urlaubspläne?

Ich brauche jetzt ­tatsächlich mal einen ­kurzen Moment des Nichtstuns und reise heute an die Ostsee. Dort will ich Fahrrad fahren, Freunde treffen und ein gutes Buch ­lesen und mich dann wieder auf zu Hause freuen. Ich bin durch diesen Erfolg kein ­anderer Mensch. Auch wenn es selbst nach meinen Wettbewerbsreisen nach Amerika für mich etwas bisher ­Einmaliges war, von einer internationalen Jury so bewertet zu werden.

Sylvia Eigenrauch