„Lobgesang“ – für alle Interpreten beim Konzert im Landestheater
Das 3. Philharmonische Konzert im Landestheater war ein musikalischer Nachhall auf all das, was unter dem Thema 500 Jahre Reformation veranstaltet wurde. Das Philharmonische Orchester Altenburg-Geraer gehörte zu den wenigen Klangkörpern in Deutschland, die in dieser Zeit Mendelsohn Bartholdys Reformationssinfonie nicht im Programm hatten – und tat gut daran.
Altenburg. Das 3. Philharmonische Konzert im Landestheater war ein musikalischer Nachhall auf all das, was unter dem Thema 500 Jahre Reformation hier seit Langem veranstaltet wurde. Natürlich, es gab wohl nur wenige Orchester in Deutschland, die in dieser Zeit Mendelsohn Bartholdys Reformationssinfonie nicht in einem ihrer Programme hatten. Um so erfreulicher, dass Generalmusikdirektor Laurent Wagner zu diesem Anlass ein Programm zusammenstellte, das auf diese Sinfonie verzichtete und mit Bachs „Ricerca“ aus seinem „Musikalischen Opfer“ in der Instrumentierung von Anton Webern (1883-1945), mit der Ouvertüre „Ein feste Burg ist unser Gott“ von Joseph Joachim Raff (1822-1882) und mit Felix Mendelssohn Bartholdys Sinfoniekantate „Lobgesang“ durchaus anspruchsvolle und aufwendige Stücke im Programm hatte.
Das entspricht seinem und des Orchesters Anspruch und ist Ausdruck einer guten musikalischen Dramaturgie. Nicht nur eine vorbildliche, kompetente Interpretation kann herausragende Werke des klassischen Repertoires zum einzigartigen Erlebnis für den Zuschauer machen, sondern auch die geschickte Zusammenstellung eines auf den ersten Blick sehr konträren Programms.
Wagner und sein Orchester liefern mit Weberns Instrumentierung der Cembalo „Fuga a 6 voci“ aus Bachs Musikalischem Opfer ein Beispiel an nachschöpferischer Meisterschaft, der man sich nicht entziehen kann. Das Orchester beweist dabei, dass es fast mühelos mit den Begriffen Klangsprache, Artikulation und kantables Spiel umgehen kann. Wagner spannt dazu einen herrlichen Spannungsbogen und gibt dieser eher kurzen musikalischen Miniatur etwas Besonderes: Bach im 20. Jahrhundert.
Dagegen wirkte das zweite Programmstück, Joseph Joachim Raffs lange Ouvertüre „Ein feste Burg ist unser Gott“, in manchen Teilen fast etwas bieder. Sie erfuhr etliche Umarbeitungen und Bezeichnungen, bevor sie am Palmsonntag 1866 erstaufgeführt wurde. Raff ist heute fast vergessen, damals war er einer der meistgespielten Komponisten in Europa. Prägend für ihn war seine Zusammenarbeit mit Franz Liszt in Weimar als dessen Sekretär. Martin Luthers bekanntestes Lied leitet als Choral die Komposition ein, durchzieht sie wirkungsvoll und beendet sie prachtvoll und lautstark. Das Orchester folgt seinem sehr agilen Dirigenten schlaggenau und bietet dem Publikum eine überzeugende Wiedergabe.
Zum krönenden Abschluss des Abends wurde Mendelssohn Bartholdys Sinfoniekantate „Lobgesang“ – in der Form mit drei Orchestersätzen und einem Schlusssatz mit Chor und Solisten Beethovens Neunter vergleichbar und in der Wirkung auf das Publikum dank einer außergewöhnlichen Interpretation durch alle Beteiligten ein musikalisches Ereignis mit Langzeitwirkung.
Wagner geht es um schlanken, transparenten Klang, um zügige Tempi und eine klare Artikulation. Er leuchtete die Klanggeflechte sorgfältig aus und machte das wunderbare Zusammenwirken von Poesie durch die Bibeltexte und Mendelssohns melodischen Erfindungsreichtum, der den Hörer so stark zu rühren vermag, deutlich. Ergreifend gestaltet waren unter anderem die Ausrufe des Tenors „Hüter, ist die Nacht bald hin?“ und wie es dem Dirigenten gelang, bis hin zum kollektiven Gotteslob die vokalen und instrumentalen Schichten dramaturgisch schlüssig zusammenzufügen.
Dafür hatte Laurent Wagner brillante Partner. Das Orchester wuchs wieder einmal über sich hinaus. Der personell starke Konzertchor des Goethe-Gymnasiums Rutheneum in Gera unter Leitung von Christian Klaus Frank ließ vom ersten Einsatz an vergessen, dass hier ein Jugend-Laien-Chor steht – übrigens einer der Besten weit und breit und mehrfach ausgezeichnet. Die Sängerinnen Miriam Zubieta und Emma Moore sowie der Tenor Martin Lattke vervollständigten das große Ensemble und trugen zum hohen musikalischen Niveaus des „Lobgesanges“ bei, wobei Martin Lattke in seiner Partie eine makellose Glanzleistung bot, und das nicht nur, weil er als einziger vollkommen textverständlich sang.
Diese Sinfoniekantate Felix Mendelssohn Bartholdys gilt als gelungenes Beispiel, wie der Komponist den Abstand zwischen Konzertsaal und Kirche verringern wollte. Es gab jubelnden Beifall des erfreulich zahlreichen Publikums, der nicht enden wollte, für einen wieder einmal außergewöhnlichen Konzertabend.
Von Manfred Hainich