Geraer Schülerin nach einem Jahr USA: "Unvergesslich und prägend."


Nicht mehr "ost"-deutsch: 26 Jahre nach der Wiedervereinigung ging Katharina Wolf in die Staaten. War ihre Herkunft ein Thema?

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Katharina Wolf vor der Skyline von New York City bei einem Besuch auf Liberty Island. Foto: privat

Gera-Kleinfalke. Als unvergessliches Jahr beschreibt Katharina Wolf aus Kleinfalke ihren zehnmonatigen Auslandsaufenthalt in den USA. Die nun 17-Jährige besucht das Geraer Goethe-Gymnasium, lebte aber bis Juni 2017 als Stipendiatin bei Gastfamilien im Bundesstaat Virginia. Sie besuchte dort eine Highschool und lernte viele Einheimische kennen.

Als "Schüler-Botschafterin" sprach sie mit Einheimischen auch über ihre Heimat. "Ich denke ich habe Deutschland gut vertreten", sagt sie lachend und meint, sie hätte dort oft erst einmal erklären müssen, dass die Deutschen nicht ­alle im Dirndl herumliefen. Ging es um ihre Herkunft, ­beschrieb sie Gera oft als: "In der Nähe von Leipzig."

"Hi, ich bin Kathi aus Deutschland"

Um Ost oder West sei es, wenn überhaupt, nur am Rande gegangen. Etwa wenn sie die ­etwas ländlichere Struktur ihrer Heimatregion beschrieb, bei kleinen Späßen mit den anderen Stipendiaten aus ganz Deutschland oder bei sehr geschichtsinteressierten Gegenübern.

"Wenn ich jemanden kennenlernte, sagte ich: ‚Hi, ich bin Kathi aus Deutschland‘ und dann sprachen wir meistens erst einmal über Autobahnen oder das Oktoberfest. Aber ich habe auch immer versucht, zu erklären, was bei uns anders läuft als in den Staaten, etwa das Schulsystem, der öffentliche Nahverkehr oder auch das Familienleben.

Katharina Wolf erlebte auch die zurückliegenden Präsidentschaftswahlen. Das Volk sei über die Wahl sehr gespalten gewesen, erinnert sie sich: "Viele waren pro-Trump, aber es gab auch viele Gegner. Am Tag nach der Wahl haben sich manche sehr gefreut, andere hingegen haben geweint."

Sie ist froh, dass es ihr, auch dank der Wiedervereinigung möglich war, dieses Abenteuer zu erleben.

Katharina Wolfs persönlicher Erfahrungsbericht

Im Juni kehrte Katharina Wolf nach Gera zurück. Sie erzählt in ihrem Erfahrungsbericht zum Austauschjahr 2016/2017 von unvergesslichen Erfahrungen, langlebigen Freundschaften und Justin Timberlake, der in der Schule zum Unterricht ruft:

Ich verbrachte zehn prägende Monate in Manassas, Virginia und war Mitglied einer amerikanischen Großfamilie. Ich war 16 Jahre alt und wollte die Welt entdecken. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten schien mir perfekt, um aus dem einseitigen deutschen Schulalltag auszubrechen und eine neue Kultur kennenzulernen. Zudem war ich schon damals an der englischen Sprache interessiert und wollte meine Kenntnisse gern weiterentwickeln. Dank des Deutschen Bundestages und des Amerikanischen Kongresses wurde mir dieses Auslandsjahr in den USA ermöglicht.

Nach einer langen Bewerbungsphase, vielen Auswahlrunden und einem einwöchigen Vorbereitungsseminar in Berlin saß ich im Flieger nach Washington D.C., wo mein USA-Abenteuer begann. Meine Gastfamilie, bestehend aus Gasteltern und zwei jüngeren Gastbrüdern, holte mich am Flughafen ab und wir fuhren in meine neue Heimatstadt Manassas. Dort angekommen, erwarteten mich 3 aufgeweckte Hunde.

Am nächsten Tag begann schon gleich der Alltag in meiner neuen Schule – der Osbourn High School. Die Schule hatte mit 2500 Schülern die fünffache Größe meiner deutschen Schule. Ich konnte mir aus einem "Kurs-Katalog" meinen Unterricht neben ein paar Pflichtfächern frei wählen. Das Angebot war sehr breit gefächert: von Automechanik über Friseur bis hin zu Kosmetik war alles dabei. Nachdem ich mich entschieden hatte, ging es gleich zum Unterricht.

Treueschwur gegenüber Nation und Flagge

Es war am Anfang ziemlich schwer, da die Schule riesig ist und man in jedem Fach immer wechselnde Mitschüler hat. Mit Hilfe vieler Fragen und eines Gebäudeplans habe ich es jedoch immer rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn geschafft. Dieser wurde zu jeder Stunde aus den Schullautsprechern mit Liedern von aktuellen Musikern wie zum Beispiel Justin Timberlake angekündigt. Der Schultag begann mit dem "Pledge of Allegiance", dem Treueschwur gegenüber Nation und Flagge, und einer Schweigeminute. Danach besuchte man den Unterricht, der von Nachmittagsaktivitäten wie Sport oder Musik geprägt wurde.

Sporttraining erfolgte so gut wie jeden Tag, meistens sogar noch an den Wochenenden, sodass ich die meiste Zeit in der Schule verbrachte. Im Winter war ich im Schwimmteam, im Frühling machte ich Tennis und Leichtathletik. Außerdem besuchte ich auch die Gitarrenkonzert-Gruppe, sodass mein Terminkalender mit Wettkämpfen und Konzerten ziemlich gefüllt war.

Zusammen mit meiner Gastschwester und Freunden besuchte ich oft Football- oder Basketballspiele unserer Schule, wenn ich selbst keinen Wettkampf hatte. Highlights des Schuljahres waren die weltbekannten "Homecoming"- und "Prom"-Tänze, das sind Bälle zur Feier des beginnenden Schuljahres oder für die Abschlussjahrgänge. Die fühlten sich wirklich wie im Spielfilm an!

Ich wechselte aufgrund von Unstimmigkeiten während meines Austauschs die Gastfamilie. Wir passten einfach nicht zueinander. Nun hatte ich gleich vier Gastgeschwister, wobei drei zu Hause lebten und ich das Zimmer der ältesten, bereits ausgezogenen Tochter bekam. Wir verstanden uns super und ich fühlte mich wie ein richtiger Teil der Familie. Meine Gastschwester besuchte die selbe Schule wie ich, so konnte ich mit ihr zusammen mit dem Auto zur Schule fahren, anstelle den Schulbus zu nehmen. Hinzu kam, dass meine Gastmutter auch in unserer Schule arbeitete und somit die Schule sich mehr und mehr wie ein Zuhause anfühlte.

Durch den Sport hatte ich schnell viele Freunde gefunden, sodass ich immer mehr Leute kannte und die Schule überhaupt nicht mehr fremd erschien. Sogar mit manchen Lehrern baute ich freundschaftliche Verhältnisse auf, was in den USA völlig normal ist.

Eine Woche in der Hauptstadt

Im Winter verbrachten wir Stipendiaten eine Woche in Washington D.C., um mehr über Amerika und die amerikanische Regierung zu lernen. 100 von insgesamt 300 Stipendiaten waren in meiner Woche dabei. Es war sehr schön, manche bekannte Gesichter wiederzusehen und sich über die bisherigen Erlebnisse auszutauschen. Die ganze Woche war gefüllt mit Museumsbesichtigungen, Gesprächen mit Kongressmitgliedern, Führungen und vielem mehr. Es war sehr spannend und ich lernte sehr viel, obwohl ich mein Auslandsjahr in einer Vorstadt von Washington D.C. verbrachte und deswegen schon zuvor öfters in der Hauptstadt war.

In den Frühlingsferien besuchten wir Verwandte meiner Gastfamilie in Ohio und West Virginia, wo ich einen ganz anderen Teil der USA kennenlernte. Es ist echt unvorstellbar, wie unterschiedlich die einzelnen Staaten sein können! Alle Familienmitglieder begrüßten mich sehr herzlich und jeder wahr sehr gespannt, etwas über Deutschland und die deutsche Kultur zu lernen. Es gab sogar einmal die Frage, ob wir in Deutschland auf der linken Straßenseite fahren würden!

Das Jahr verging wie im Flug, obwohl ich so weit von Deutschland, meiner Familie und meinen Freunden entfernt war. Zum krönenden Abschluss des Schuljahres durfte ich sogar an der "Graduation", der feierlichen Zeugnisverleihung, teilnehmen und mit Talar als Abschlussschüler über die Bühne laufen. Daraufhin folgte meine Graduation-Party, welche leider gleichzeitig auch als Abschiedsfeier diente.

Der Abschied von amerikanischen Freunden, Familie und Umgebung viel mir sehr schwer, obwohl ich mich gleichzeitig sehr auf meine Rückkehr freute. Meine Eltern holten mich nach Abschluss des Programms in den USA ab und wir verbrachten noch zwei Wochen zusammen unseren Urlaub in den Staaten.

Es war eine einmaliges und unvergessliches Jahr für mich und ich bin glücklich, eine zweite Familie und langlebige Freundschaften gefunden zu haben. Ich möchte mich nochmals für die Chance, an diesem Austausch teilzunehmen, bedanken. Er wird meine Zukunft sehr prägen!

Martin Lücke (03.10.2017)